Sonntag, 6. Dezember 2015

Knecht Ruprecht {Jule Märchen}


Einmal, so im Mittwinter, als der wilde Jäger unterwegs war, verlor ein Tier aus seinem Gefolge die Eisen. Sein Reiter musste mit dem Pferd und Hund zurückbleiben und verirrte sich als er den hohen Zug einholen wollte. Endlich stieß er auf die Hütte einer armen Witwe, die hauste mit ihren Kindern mitten im Wald. Der Reiter, ein alter graubärtiger Geselle, warf die Tür auf, trat mit dem Hund ein, der auch gleich die Kleinen anfuhr, dass eines von ihnenniederstürzte, und verlangte zu essen und zu trinken. Die arme Frau erschrak sehr. Sie fragte nicht nach dem Namen, noch nach dem Woher und Wohin, brachte hastig, was gerade auf dem Herd stand, und wollte den Gast zufrieden stellen. Der aß und trank, streckte die Beine von sich, lehnte müde gegen die Wand und versuchte auf der Bank einzuschlafen. Doch die Frau hatte ein Lichtlein auf den Tisch der Kinder gestellt, das flammte und knisterte, so dass es dem Reitknecht die Augen weh tat. Er schloss die Lider, aber der Glanz schien hindurch. Nach den grauen Tagen in Regen und Sturm, war ihm selbst dies kleine Lichtlein zu hell. Er befahl deshalb barsch der Frau: „Lösche das Licht aus, siehst du nicht, dass ich schlafen will?“ Aber die Mutter schüttelte den Kopf, und obschon sie viel Furcht hatte, widersprach sie und antwortete: „Löschen darf ich es nicht. Es winkt der lieben himmlischen Frau, damit das Sonnenlicht heimkommt und der Winter vorübergeht.“ Gegen solche Namen wagte der Knecht nichts zu sagen, er wusste, dass sein Herr Tag für Tag nach ihr Ausschau hielt. Er brummte deshalb nur, wandte den Kopf und versuchte wieder zu schlafen. Es gelang ihm noch nicht, die Kleinen saßen unter dem Tisch und sangen leise. Da verlangte er rau, dass Singen sollte unterbleiben. Aber die Mutter verbot den Kindern die zarten Stimmen nicht, obwohl sie nun doppelte Furcht hatte. „Hörst du denn nicht,“ fragte sie, „ dass es ein Lied zur Weihnacht ist? Ach, wie käme die himmlische Frau, das Licht zu uns zu bringen, wenn wir sie nicht mit dem Singen der Kinder riefen?“ Wieder wagte der Knecht nicht, hart zu antworten. Als das Weib indes hinging und die Tür ein wenig öffnete, obwohl kleine Flocken hereintanzten und der Wind den Rauch vom Herd zu Wirbeln trieb, geriet der Reiter außer sich: „Was hast du jetzt vor? Du weißt, dass ich friere und schlafen will!“
Die Frau entgegnete sanft: „Die Wittfru muss doch die Kinder hören und das Licht sehen, sie könnte sonst vorübergehen!“ Als der Knecht nun so viel von der vernahm, die sein Herr auf langen, langen Ritten vergeblich suchte, wunderte er sich. Er blinzelte sogar nach der Türspalte, ob nicht wirklich eine Fremde vorbeikäme, aber er sah nur das Gesicht der Mutter, das voll Hoffnung nach draußen schaute. Da wurde er bedrängt in seinem Herzen und wollte seine Rauheit an den Kindern gutmachen. Und weil er das eine, dass sein Hund umgeworfen hatte, noch bluten sah, stand er auf, trat hinzu und strich ihm über die Wunde. Gleich hörte das Rinnen auf. Die Kinder aber, die, als er nahe kam, vor Furcht die Köpfe niedergebeugt hatten, ohne im Singen einzuhalten, sahen, dass der fremde Mann es gut meinte, und fassten Vertrauen zu ihm. Und eines, das großen Hunger hatte, fragte, ob es nicht etwas von seinem Brot haben dürfe. Da brach er von dem Laib, den ihm die Frau hingestellt hatte. Er gab sich sogar die Mühe und besprach das Brot, so dass es süß wie Kuchen schmeckte. Und weil das Lied jetzt wirklich zu Ende war, trauten sich die Kinder näher zu dem wilden Knecht. Ein kleines Mädchen zeigt ihm ein Pferdchen dem fehlten Kopf uns Schwanz. „Oh, wenn es weiter nicht ist“, lachte der Mann und ging daran, beides wieder anzuflicken. Währenddessen dachte er heimlich an seinen Herrn, der auch in der Heiligen Weihnacht die Menschen beschenkt, und sah auf die Mutter, die ihm zuschaute und deren Augen glänzten, wie solches Licht gewiss nur von der himmlischen Frau Antlitz kommt. Da gefiel es ihm, eifrig zu helfen, und als ein Knabe einen Hund haben wollte, knetete er ihm einen, der wahrhaftig laufen und bellen konnte. Wie schrien und hüpften die Kinder da und wünschten sich gleich alle ein Spielzeug. Der Knecht musste seine Finger schon fleißig gebrauchen; ein Geschenk nach dem anderen sprang daraus hervor: Puppen und Bälle zum Werfen für die Mädchen, Wagen und Reitersleute für die Jungen, und ich weiß nicht was alles. Und je mehr die Kinder lachten und je dankbarer die Frau ihm zusah, umso eifriger wurde der Mann. Als er einen Apfel fand, den das arme Weib verwahrt hatte, machte er gleich einen Tisch voller Äpfel daraus, und als das Kleinste ihm zwei Nüsse zeigte, mit denen es spielte, da wusste er es so einzurichten, dass ein praller Beutel davon in der Kammer stand. Denn wenn er auch nur ein Knecht des Wilden Jägers war, so wusste er doch mit allerhand guten Künsten Bescheid. Wie der Mann nun mitten im Werk war, zog draußen noch einmal eine furchtbare Sturmböe heran. Und gerade als die Frau sich doch zu fürchten begann und die Tür schließen wollte, sprang sie krachend auf. Der Wilde Jäger trat über die Schwelle und hinter ihm ein allmächtiges Gedränge von hohen Herren und holden und unholden Gesellen. Die lachten dröhnend, als sie den Alten mitten unter den Kindern sahen, das Spielzeug in der Hand. „Was tust du hier?“ murrte der Wilde Jäger. Der Knecht, der eben noch froh gewesen war, den Reitern wieder zu begegnen, merkte erschrocken, dass er sich verantworten sollte. „Ach,“ sagte er, „dass ist schwer zu erklären. Seht, Herr, die Kinder sangen die himmlische Frau herbei. Wie mich dünkt für uns alle. Man soll solches Singen nicht gering achten und es belohnen.“ „Er war so gut zu den Kleinen“, sagte die Witwe fürbittend und streckte die Hand aus. Der Wohljäger sah sie an, aber es war sogleich, als schaute er über sie hinweg. Dann wandte er sich seufzend dem Reiter zu. „So bleib´ noch“, befahl er, „und geh auch in die anderen Häuser und lass alle Kinder singen. Vielleicht, dass sie, die wir suchen, sich doch rascher zu uns wendet, wenn sie es hört.“ Da freute sich der Knecht - Ruprecht hieß er - und ist dem auch gehorsam gefolgt. Und er geht noch heute jährlich durch die Häuser, um die guten, singenden Menschen zu beschenken. Aber auf Griesgräme und Besserwisser, auf Faulpelze und Hagestolze lässt er Ruten und Plagen fallen. Denn er ist ein alter Reiter und fackelt nicht lange.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen